junge mit bloßen schultern detail 35/46 cm aquarell no.475 1921
József Grünn Baja
inzwischen ist mir etwas passiert, was eine außerordentliche Wirkung auf mich ausübte und mich einerseits in meiner malerischen Auffassung bestätigt, andererseits meine spätere Entwicklung maßgeblich beeinflusst hat. Bei einem Wiener Museumsausflug im Belvedere erblickte ich ein kaum eine Spanne langes, kleines Bild, das zwei Hände darstellte, mit einer wunderbaren Feinheit der Töne und einer gewaltigen, plastischen Schärfe. Das kleine Bild wurde von Wilhelm Leibl, der größten Gestalt der deutschen Kunst des 19. Jahrhunderts gemalt, der über den in München arbeitenden Hollósy auch eine Wirkung auf die Nagybányaer Schule und somit auch auf die ungarische Kunst ausgeübt hatte.
Es ist ganz sicher, dass auch dieses kleine Bild dazu beigetragen hat, meine Arbeit noch vertiefter zu verrichten, und ich habe jetzt das Gefühl, ab invisis von Leibl das meiste gelernt zu haben. Ich denke hier nicht an das Handwerkliche beim Malen, und auch nicht an die Thematik, da ja Leibl keine Akte gemalt hat, vielmehr meine ich seine hochrangige Ethik, seine Aufrichtigkeit, die Bewahrung der Prinzipien, die Moral des Künstlers, aufgrund derer man in Sachen Überzeugung weder zwecks finanzieller noch zwecks anderer Vorteile auf Kompromisse eingehen darf, und auch bei den allerkleinsten Taten das höchste Niveau anzustreben hat. An diese Lehre, die mir seine Kunst bis heute hörbar zuflüstert, versuchte ich mich mein ganzes Leben lang zu halten
József Horváth 1959