Baugeschichte
ein exzellentes Denkmal der Soproner Innenstadt ist das Caesar-Haus, das sich an der Ecke des zur Grabenrunde führenden Hátsókapu [Hinteren Tores] und der Szent György utca [St.-Georg-Gasse] befindet. Das Gebäude trägt die Spuren von 1700 Jahren Städtebauarbeit und 800 Jahren städtischer Kultur.
Die Geschichte des Gebäudes ist von der Entstehung und Wandlung der angrenzenden Stadtmauern nicht zu trennen. Das Gebiet ist Teil der einstigen römischen Stadt, wo die Spuren eines römischen Mauerturmes sowie welche von Wohnhäusern freigelegt wurden, die beim Bau der Ende des 3. Jahrhunderts errichteten Stadtmauer abgetragen worden waren. Im Mittelalter, als die heutige Stadtstruktur ausgebildet wurde, ist der südliche Stadtausgang vom römischen Stadttor, von der Fegyvertár utca 1 [Zeughausgasse] zum etwa 140 m weiter eröffneten „Hinteren Tor“ verlegt worden. An diese, damals, zwischen 1280 und 1340 ausgebaute, dreifache Stadtmauer und an dessen Turmtor lehnte sich die Gebäudegruppe an, die auf dem Eckgrundstück des heutigen Caesar-Hauses stand und aus zwei, laut einigen Wissenschaftlern aus drei Gebäudeteilen bestand.
Bei der Umstrukturierung der Verwaltung von Sopron am Ende des 14. Jahrhunderts stand das Schutzwerk der Innenstadt bereits, und daneben — laut Zeugnis des Grundbuchs vom Jahre 1379 — zwei Häuser auf halbem Grundstück. Den Grundbüchern und den mittelalterlichen Verkaufsurkunden lässt sich entnehmen, dass das eine der zwei auf halbem Grundstück eingetragenen und in separatem Besitz befindlichen Häuser an der Stadtmauer, das andere aber an der Ecke Sópiac — der heutige Orsolya-Platz — und Szent György utca stand [Salzmarkt / Ursulinenplatz / St.-Georg-Gasse]. Aufgrund der lokalen Baugepflogenheiten wird vermutet, dass diese Häuser über eine Fassadenwand zur Straße und gemauerte Zäune, mit Toren ihn ihnen, verfügt haben.
Bei der Erforschung des Gebäudes und der Denkmalrekonstruierung wurden viele schöne, auch heute sichtbare Teile des gotischen Stadiums freigelegt: die nordwestliche Giebelmauer, manche gotische Fenster im Stockwerk, die steinerne Trägerschwelle der Toreinfahrt und die zum Keller führenden Türen mit steinernem Rahmen, sowie die Verbindung des Gebäudes zum Burgmauerpass. Durch die Erschließung wurde bestätigt, dass das Gebäude im 15.-16. Jahrhundert Stockwerke und in beiden Richtungen großräumige Weinkeller besaß. Auf die Höhe des Einbauens deutet hin, dass der eine Rauchfang in Höhe des Dachgeschosses das Datum 1549 D. A. bewahrt hat. In das 15. Jahrhundert wird jener Umbau datiert, bei dem das innerhalb des dreifachen Burgmauerringes befindliche Wohnhaus mit der Stadtmauer zusammengebaut wurde und die innere Stadtmauer zur Fassade des Gebäudes wurde. Zu dieser Zeit wurde mit Senkung der aus dem 11. Jahrhundert stammenden Erdwallkrone die spätmittelalterliche Verkehrsebene des Burgmauerpasses gebildet, ca. 2,5 m über der Ebene des heutigen Straßenverlaufs. Beim Hinaustreten aus dem Caesar-Haus zum Basteiengarten ist die aus der Stadtmauer umgewandelte Gebäudefassade gut sichtbar, auf der anderen Seite des Mauerpasses wiederum die auf römischem Unterbau, im 14. Jahrhundert gebaute, mit Zinnen und Schießscharten versehene Schutzanlage der mittelalterlichen Stadtmauer.
Nach der Expansion der Reformation im 17. Jahrhundert wurde der Bautätigkeit durch die finanzielle und geistige Erstarkung des Bürgertums und auch durch die Niederlassung von reichen Adeligen in Sopron neuer Schwung verliehen. Dieser Prozess bekam nach der Feuersbrunst vom Jahre 1676, die das gotische Sopron zunichte gemacht hatte, erneut neuen Aufschwung. Nach dem Zusammenbau der mittelalterlichen Gebäudeteile erlangte das Caesar-Haus seine heutige Form, mit einem Stockwerk und seinem — einen Hauch von Renaissance enthaltenden — frühbarocken Aussehen. Dass der Bedarf an reicher Verzierung angestiegen ist, spiegelt sich am Stuck der Decken der Säle im Stock wieder. Das im Ecksaal oval, im Zimmer oberhalb des Toreinganges viereckig geformte mittlere Feld wird von einer Verzierung mit Muscheln sowie Blättern und Lianen umrahmt. Der Stuck wurde vom Bildhauer P. A. Conti, um 1700 herum angefertigt. Der Innenhof ist den Bedürfnissen des bürgerlichen Repräsentierens angepasst, mit toskanischen Säulen und Arkaden eingerichtet. Die Straßenfassade ist durch Fenster mit Schürzenverzierung und einem zylinderartigen, geschlossenen Eckbalkon geschmückt. Das Tor hat toskanische Pfeiler, mit über dem Torsims liegenden Voluten. Die Lisenen-Verzierungen der heutigen Fassade wurden etwa ein Jahrhundert später, in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts angebracht.
In diesem Zustand erlebte dann das damals bereits „Grünes Haus“ genannte Gebäude den Abriss des Hinteren Tores im Jahre 1821. 1822 ist das frei gewordene, benachbarte Stadtmauer-Stück vom Gebäudebesitzer gekauft worden und es wurde zuerst ein Garten angelegt. Als aber der untere Teil der Stadtmauer zum Geschäft umgestaltet wurde und dieses mit dem Zusammensturz drohte, wurde an Stelle des abgebauten Stadtmauer-Stückes ein neuer Gebäudetrakt mit drei Achsen gebaut. Dieser wurde der Barockfassade angepasst und bekam ein Stockwerk.
1944-45 erlitt das Gebäude schwere Schäden. Der in der vorderen, barocken Achse befindliche, schmale, quadratische, geschlossene Balkon im Stock ist abgestürzt. Die Denkmalrenovierung nahm sich vor, das beschädigte Wohnhaus zu rehabilitieren. Unter Erhaltung der mittelalterlichen und barocken architektonischen Werte sind im Gebäude selbst fünf, im Flügel seitens des Basteigartens eine weitere Wohnung mit zwei Etagen entstanden. Zum Burgmauerpass wurde ein Durchgang eröffnet, der den Hof mit der 150 m langen, südwestlichen Strecke der Basteipromenade verbindet. Die geschichtlichen Gebäudeteile, die Weinstube im Keller, der Hof mit Loggia, die mit Stuck geschmückten Räume im Stock wurden im Zuge der Renovierung um eine neue Funktion bereichert und konnten so zu einem Treffpunkt des Fremdenverkehrs und der Kunstfreunde werden.
Die Wiederherstellung des Caesar-Hauses wurde zwischen 1954 und 1964 aufgrund der Pläne der Architektin und Ybl-Preisträgerin Judit Kissné Nagypál von der Ungarischen Denkmalaufsichtsbehörde durchgeführt
Eigentümer und Kulturgeschichte des Caesar-Hauses
Nach Erlangung des Titels „Königliche Freistadt“ erlebte Sopron im 15 Jahrhundert das Zeitalter des Aufblühens im Stadtleben. Die Zahl der neuen Bürger, insbesondere die der Deutschen ist angestiegen. Unter ihnen finden wir laut Grundbuch 1379 auch die Eigentümer dieses Hauses. Im ersten Haus ist es Stadtkämmerer Márton [dt.: Martin] Biberauer, im zweiten der Mödlinger Händler Keresztély [dt. Christian]. Von ihnen gingen die Gebäude dann 1404 und 1459 in den Besitz der Händlerfamilie Schadendorfer über. Ab dem 15 Jahrhundert stehen die Namen von Stadtbeamten und Patrizierfamilien in den Urkunden. Der Stadtrat verfügte zu dieser Zeit noch über kein festgelegtes Rathaus, so war das Haus des jeweiligen Stadtrichters das höchste städtische Amtsgebäude. Dies war auch der Fall, als der Stadtrichter Mátyás [dt.: Matthias] Schadendorfer seines Amtes waltete. Am 12. März 1420 wurde vom Rat in Sachen des Adeligen Benedek [dt. Benedikt] Nicky, der als Raubritter in der Gegend sein Unwesen trieb, im Gebäude gerichtet, das an Stelle des heutigen Caesar-Hauses stand. Das erbrachte Todesurteil wurde auf dem Hof des Gebäudes vollstreckt. König Zsigmond [dt.: Sigismund], der mir ständigen finanziellen Problemen zu kämpfen hatte, verhängte eine Geldstrafe von 3000 Forint [vgl.: Gulden] über die Stadt, wegen willkürlicher Gerichtsbarkeit.
Durch die am Anfang der Regierungszeit von Matthias [Corvinus] Hunyadi erfolgte Verpfändung von Sopron an Kaiser Friedrich III. kam das Gebäude in die Hände des vom Kaiser ernannten Burghauptmanns und Obergespans Ulrich Grafenegger. Nach 1463, als das Pfandrecht erlosch, kümmerte sich der Freiherr, der aber alle seine Würden hatte abgeben müssen, nicht mehr um die Erfüllung mit dem Hausbesitz einhergehenden Verpflichtungen (Streifwache, Wachestellung für die Stadtmauer, Steuern, Frondienst). Aus diesem Grund wurde das Haus dann von König Matthias Corvinus 1478 der Stadt überlassen. Der Hausteil an der Burgmauer wurde dann vom Soproner Bürger Mátyás [Matthias] Schreiber gekauft, für 100 Ungarische Forint [Gulden]. Das Eckgebäude kam in den Besitz von Tamás Farkas, dessen Nachkommen bis 1529 auch die Eigentümer blieben. Nach den Handwerker- und Händlerfamilien berichten die Urkunden ab 1628 über das Eigentumsrecht der Familie Artner. Die Artners pflegten seit 1478 Beziehungen zu Sopron und spielten drei Jahrhunderte lang eine Rolle in der Stadtgeschichte, im 17 Jahrhundert sind sie die typischen Vertreter der protestantischen Intelligenz. Die Hauptfigur der Familie, Erhard II. Artner, war Mitarbeiter von Kristóf Lackner. Er wurde mit abgeschlossenem Ärztestudium zum Stadtnotar. Unter den Artners wurde das Caesar-Haus in der Barockzeit umgestaltet und erhielt seine heutige Form in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts.
Das bedeutende innenpolitische Ereignis der Zeit, der Landtag der Magnatentafel zur Wahl des Palatins im Jahre 1681 verlief unter diesen Mauern. Seit dieser Zeit heißt das Gebäude — nach Pozsonyer [Pressburger] Muster — „Grünes Haus“. Es ist aufgezeichnet worden, dass dem neuen Palatin, Graf Paul Esterházy, vom berühmten Dichter István Gyöngyösi nach der Wahl mit einem Gedicht gehuldigt worden war, diese Begrüßung später aber öffentlich zurückgezogen wurde.
Den Artners folgten die Patrizierfamilien Steiner, ReichehaIIer und Streckenbach. Danach erscheint 1774 der Name der Familie Mártony im Grundbuch. An diese Familie erinnert heute der Schwellenstein aus dem Jahre 1775, der heute in der Mauer des Toreinganges freigelegt ist. Ihr berühmter Sohn, der 1783 in diesem Haus geboren wurde, ist Ingenieuroffizier Károly [Karl] Kőszeghi-Mártony, Erfinder der Gasmaske und des Druckluft-Atmungsapparates. Laut Überlieferungen sollen er und sein Bruder Fuchswelpen in einer Aushöhlung der Burgmauer aufgezogen haben. Die Erinnerung an diesen Jugendstreich ist durch den Namen des im Haus eröffneten Restaurants —„Rókalyuk“ [dt.: Fuchsloch/Fuchsbau] der Nachwelt erhalten geblieben.
Eine namhafte Gestalt des [ungarischen] Reformzeitalters, der Tafelrichter Imre [dt.:Emmerich] Ihász, ist 1817 ins Haus eingezogen. Ihász war ein Mäzen des Soproner Musik- und Theaterlebens sowie Übersetzer literarischer Werke. Er ließ nach dem Abriss des Hinteren Tores den Zubau-Flügel des Gebäudes samt Stockwerk erbauen. Er und die sogar mit Jókai [vergl.:Mór Jókai] in Verwandtschaft geratenen Ihász-Nachkommen sind bei Endre Csatkai gemeint, indem er schreibt: „es gibt kaum noch ein Haus in Sopron, das so eng mit der Geschichte der ungarischen Literatur verknüpft wäre“. Der zur Ihász-Verwandtschaft gehörende Dániel Ihász war der Sekretär von Lajos Kossuth im Exil. Ein enger Kontakt zur Exilgemeinschaft um Kossuth wurde durch Rudolf Ihász, den Soproner Obernotar und auch seinen Schwiegersohn, den Militärarzt Gyula [dt.: Julius] Caesar aufrechterhalten. Die Dokumente des Treffens von Letzterem und seiner Frau mit Kossuth, sowie Andenken an die Kossuth-Traditionen sind in der überlieferten Korrespondenz der Familie Caesar festgehalten. Zu den kulturhistorisch wichtigen Ereignissen der Epoche gehört, dass im Caesar-Haus 1871 die erste Soproner Mittelschule für Mädchen eröffnet wurde, unter dem Namen „ Soproner städtische, zweiklassige, höhere Mädchenschule ohne Unterschied des Glaubensbekenntnisses, in den Unterrichtssprachen Ungarisch und Deutsch“. Die Nachkommen der Familie Caesar sind bis 1952 Eigentümer des Hauses, das ihren Namen trägt.
Eine Besonderheit im Caesar-Haus von heute ist der nach der Renovierung angelegte Cézár-Weinkeller. Seine Einrichtung und seine Stimmung erinnern an die alten Soproner Buschenschänken, Am Eingang hängt das aus Nadelzweigen geflochtene, die Berechtigung zum Getränkeausschank verkündende Ladenschild, der „Buschen“. Winzer-Zubehör, die mehrere Jahrhunderte alte Weinpresse, die besonderen, geschnitzten Fässer, der funktionstüchtige Kaminofen und die attraktive Raumwirkung des Kellers machen ihn zur touristischen Sehenswürdigkeit
Bertalan Horváth
Bertalan Horváth (1939-2009) Architekt, Architekturgraphiker, der Sohn von József Horváth, Gründer und Mäzen der zur Trägerschaft und Ausstellung des Nachlasses gegründeten Stiftung
Literatur
Endre Csatkai – Dezső Dercsényi Denkmäler in Sopron und Umgebung, 1953 110, 166…167
Endre Csatkai Das Grüne Haus am Hinteren Tor Zeitung Kisalföld, 23.05.1957
Imre Holl Die mittelalterlichen Stadtmauern von Sopron Archäologischer Kurier, 1967.2 155
Judit Nagypál Über die Soproner Stadtmauern Ungarischer Denkmalschutz, 1973 74, 87
Jenő Házi Soproner Bürgerfamilien 1538…1848, 1982
Károly Mollay Zur Geschichte des Caesar-Hauses, 1983